
Einleitung – Eine vorhersehbare Katastrophe
Zwischen 2011 und 2015, als der Nahe Osten nach dem Arabischen Frühling ins Chaos stürzte, verließen Tausende europäische Bürger ihre Heimatländer, um sich ISIS und anderen dschihadistischen Gruppen in Syrien und im Irak anzuschließen. Diese Personen, die durch Online-Propaganda und extremistische Netzwerke radikalisiert wurden, erwarben Kampferfahrung, Wissen über den Bau von Sprengsätzen und eine tiefgehende ideologische Verpflichtung zum Dschihad.
Während meiner diplomatischen und sicherheitspolitischen Einsätze in den Niederlanden und Frankreich warnte ich wiederholt europäische Geheimdienste und Sicherheitsbehörden vor der drohenden Gefahr:
- Viele dieser Kämpfer besaßen europäische Pässe, die ihnen eine ungehinderte Rückkehr auf den Kontinent ermöglichten.
- Rechtliche Einschränkungen verhinderten ihre langfristige Inhaftierung oder eine wirksame Überwachung ihrer Aktivitäten nach der Rückkehr.
- Es gab kein strukturiertes System für den Austausch von Geheimdienstinformationen zur Überwachung ihrer Bewegungen innerhalb der EU.
Trotz dieser Bedenken unterschätzten die europäischen Behörden das Risiko, was zu einer verheerenden Serie von Terroranschlägen auf dem Kontinent führte.
Taktische Fehler, die Dschihadisten das Zuschlagen ermöglichten
1. Versagen bei der Überwachung zurückkehrender Kämpfer
Obwohl Sicherheitsbehörden wussten, dass Tausende europäischer Bürger ISIS beigetreten waren, wurden kaum Maßnahmen ergriffen, um ihre Rückkehr zu kontrollieren oder einzuschränken.
- Viele Rückkehrer wurden an der Grenze lediglich befragt und mangels ausreichender Beweise für im Ausland begangene Straftaten wieder freigelassen.
- Es wurden keine umfassenden elektronischen Überwachungsmaßnahmen eingeführt, um ihre Aktivitäten nach der Rückkehr zu verfolgen.
- Geheimdienste hatten nur begrenzten Zugang zu Informationen aus den Kriegsgebieten, was es erschwerte, strafrechtliche Verfahren gegen sie einzuleiten.
2. Radikalisierung in europäischen Gefängnissen
Anstatt die Bedrohung effektiv zu neutralisieren, wurden viele dieser Rückkehrer in Gefängnisse gesteckt, wo sie zu Schlüsselfiguren der Radikalisierung unter anderen Insassen wurden.
- Dschihadistische Rekrutierer nutzten Gefängnisse als ideologische Trainingslager und verwandelten gewöhnliche Kriminelle in künftige Terroristen.
- Aufgrund von Überbelegung und mangelnder Kontrolle versäumten es die europäischen Behörden, operative Dschihadisten von der allgemeinen Gefängnisbevölkerung zu trennen, was die Rekrutierung innerhalb des Systems begünstigte.
3. Geheimdienstversagen und mangelnde Koordination
Trotz der Bemühungen von Europol und einzelner nationaler Geheimdienste gab es einen erheblichen Mangel an Zusammenarbeit zwischen den EU-Mitgliedstaaten:
- Rückkehrer konnten sich ungehindert in Europa bewegen und nutzten die schwache Koordination zwischen Sicherheitsbehörden aus.
- Terrornetzwerke wie dasjenige, das für die Anschläge in Paris und Brüssel verantwortlich war, operierten in mehreren Ländern und nutzten sichere Unterkünfte, verschlüsselte Kommunikation und falsche Identitäten.
- Der Schengen-Raum, der die Freizügigkeit ermöglichte, schuf Sicherheitslücken, wenn der Austausch von Geheimdienstinformationen inkonsistent war.
Fallstudien: Wie Geheimdienstversagen zu Blutvergießen führte
1. Die Anschläge in Paris (13. November 2015 – „Freitag, der 13.“)
- 130 Menschen getötet, über 350 verletzt bei koordinierten Anschlägen auf den Bataclan-Konzertsaal, Restaurants und das Stade de France.
- Mehrere Attentäter, darunter Abdelhamid Abaaoud, hatten in Syrien gekämpft und waren unentdeckt nach Europa zurückgekehrt.
2. Die Anschläge in Brüssel (22. März 2016)
- Selbstmordattentäter griffen den Flughafen Brüssel und die Metrostation Maelbeek an und töteten 32 Zivilisten.
- Die Attentäter waren direkt mit dem Pariser Terrornetzwerk verbunden und wurden bereits als ISIS-Operative eingestuft, aber nicht aktiv überwacht.
3. Der LKW-Anschlag in Nizza (14. Juli 2016 – Nationalfeiertag)
- 86 Menschen wurden getötet, als ein Dschihadist mit einem 19-Tonnen-LKW in eine feiernde Menschenmenge raste.
- Der Attentäter war zwar kein Rückkehrer, wurde jedoch über Netzwerke radikalisiert, die ISIS-Veteranen einschlossen.
Ein Aktionsplan für Europa: Was muss getan werden?
1. Zentralisierung von Geheimdienstinformationen: Die Notwendigkeit eines „Schengen Security Hub“
- Integration von Geheimdienst-Datenbanken aller europäischen Länder.
- Einsatz von KI zur Bedrohungserkennung und Überwachung hochriskanter Personen.
- Echtzeit-Kooperation zwischen Anti-Terror-Einheiten verschiedener Länder.
2. Langfristige elektronische Überwachung von Rückkehrern
- GPS-Tracking für Hochrisikopersonen, ähnlich der Bewährungsüberwachung für Gewaltverbrecher.
- KI-gesteuerte Analyse sozialer Medien zur Identifikation verdächtiger Online-Aktivitäten.
- Permanente Anti-Terror-Taskforces zur langfristigen Überwachung von Rückkehrern.
Fazit: Eine kritische Zeit zum Handeln
Die nächste Terrorwelle ist keine Frage des Ob, sondern des Wann. Werden die europäischen Regierungen endlich handeln, bevor es zu spät ist?